Umweltschutz: Erhabene Naturvölker, sprechende Bäume und der Konflikt mit der Zivilisation
Weiter geht es in unserer Reihe „Phantastische Realität“. Nachdem ihr gestern etwas zum Thema Polyamorie gehört habt, darf ich ein weiteres interessantes Thema aufgreifen: Umweltschutz.
Schon Max Frischs „Homo Faber“ wendet sich im Laufe der Geschichte ab von der Zivilisation und hin zur Natur (zumindest nach einer geläufigen Interpretation). Die Rückbesinnung zur guten Natur oder die Rückeroberung der Welt durch die Natur ist eines der immer wiederkehrenden Themen der Literatur- und auch Filmgeschichte (man denke nur an Avatar). Aber, wie sieht es in der Fantasyliteratur aus?
Am Ende siegt die Natur
Im Gegensatz zur sehr technisch versierten Steampunk-Literatur, schlägt sich die Fantasyliteratur eindeutig auf die Seite der Natur. Das erste Indiz ist dafür die hohe Menge an Naturvölkern wie Elfen, Feen aber auch Menschen, die sich in die Wälder zurückgezogen haben, um im Einklang mit der Natur zu leben. Wer kennt nicht das klassische Bild der Bogen schießenden Elfen aus den Wäldern? Die langlebigen Völker fühlen sich immer ganz besonders der Natur und damit ihrer Welt verbunden. Die fern von der Natur lebenden Menschen hingegen sind kurzlebig, streitsüchtig und in vieler Hinsicht auch kurzsichtig. Auch die Zwerge werden vom Erzähler häufig kritisiert, wenn von ihrer Minentätigkeit die Rede ist.
Auf die Spitze treibt diese Darstellung ausgerechnet Tolkien. Seine Elben sind ganz klar auf der Seite der Guten. Sie rümpfen aber auch die Nase über alle anderen Wesen, die mit ihrer Welt Schindluder betreiben und haben sich daher in die Wälder zurückgezogen. Im Gegensatz dazu gibt es nun die Orks. Eindeutig böse werden sie nicht nur dadurch kritisiert, dass sie vielleicht jeden töten, der ihnen über den Weg läuft, sondern auch indem sie Wälder niederbrennen oder großflächig abholzen. Hmm – woher kennt man so eine großflächige Rodung der Wälder noch? (Vielleicht aus dem Regenwald?)
Offensichtlich liegt Tolkien der Schutz der Umwelt am Herzen (wenn vielleicht auch unbewusst), denn als die Orks für die Industrialisierung Isengards beginnen, den Fangorn zu roden, erheben sich die Ents und bereiten dem Spuk ein Ende. Die brennenden Wälder werden gelöscht und Isengard wird überschwemmt. Die Natur erobert sich ihr Territorium zurück, notfalls auch höchst persönlich statt abstrakt.
Natur versus Zivilisation
Nun gibt es unter den Menschen sowohl in der Realität als auch in der Fantasyliteratur prozentual wenige Naturvölker. Die Zivilisation ist der Fortschritt des Menschen, unsere Lebensgrundlage. Aber die Zivilisation ist auch immer im Konflikt mit der Natur. Umweltschutz ist eine wichtige Sache, aber wir können sie nicht zu 100% schützen, ohne uns selbst die Lebensgrundlage zu nehmen. Das mag vielleicht im Kleinen noch gehen, aber nie im Ganzen.
Robin Hobb: Soldier Boy Trilogy
Die Fantasy greift diesen Konflikt nur zu gerne auf und regt zum Nachdenken an. Ein schönes Beispiel ist Robin Hobbs Soldier Boy Trilogie, wo dieser Konflikt zum Hintergrundthema wird. Wir beginnen das Buch auf der Seite der Zivilisation. Das Reich ist ordentlich am Expandieren und was gehört zur Expansion dazu? Richtig. Infrastruktur. Ein zentraler Plotpunkt ist daher der Bau einer Straße durch die Wälder. Die Arbeit ist schwer und wird noch schwerer dadurch gemacht, dass die Wälder bewohnt sind.
Im Gegensatz zu den technisch versierten logischen Leuten, vor allem den Soldaten, besitzt dieses Naturvolk Magier. Die Magie basiert ein wenig gewöhnungsbedürftig auf einer übermäßigen Nahrungsaufnahme, aber sie wird zum Schutz der Natur benutzt. Der Soldier Boy findet sich im Zentrum dieses Konflikts wieder. Sein Leben lang hat er von dem logischen und erfolgreichen Leben eines Soldaten geträumt, dann wird er von der Magie infiziert und kämpft seitdem um seinen Platz in der Welt. Er beginnt die Zivilisation und die Gesellschaft in Frage zu stellen und obwohl ihn die Magie und die Natur anfangs abstoßen, muss er schließlich erkennen, dass die Bewahrung, die ihm zugefallen ist, von größter Bedeutung ist.
N.K. Jemisin: The Fifth Season
Die Hugo-Award-Gewinnerin N.K. Jemisin treibt den Konflikt Natur gegen Zivilisation noch einen Schritt weiter. Wobei man hier den Begriff der Natur schon weiter fassen muss, denn von Vegetation ist hier nicht die Rede. Stattdessen wird ihre Welt regelmäßig von Naturkatastrophen heimgesucht. Die fünfte Jahreszeit, das ist die, die eintritt, wenn mal wieder ein Supervulkan die Sonne verdunkelt hat oder wenn ein Megaerdbeben alles zerstört hat.
Naturkatastrophen bei Jemisin sind größer und häufiger als in unserer Welt, sodass mehrere Zivilisationen bereits von der Natur ausgelöscht wurden, während die großartige Sanze-Zivilisation nun schon fünf fünfte Jahreszeiten überlebt hat. Jemisins Hauptfiguren sind die von allen verhassten Orogene, welche die Steine spüren und ebensolche Erdbeben mindern können oder eben auch auslösen. Auch hier ist wieder der Konflikt deutlich, der zwischen den wohlerzogenen (aber häufig gehässigen), zivilisierten Menschen und den gefährlichen (aber dafür symphatischen) Orogenen entsteht.
Zivilisation gegen Natur – wieder einmal ist es die Natur, die am Ende obsiegen wird.
Janna Ruth: Tanz der Feuerblüten
Ja, auch für mich ist der Konflikt zwischen Natur und Zivilisation ein spannendes Thema und so ist es kein Wunder, dass ich es auch -mal wieder- in meinem Debütroman verarbeitet habe. Ähnlich den anderen beiden Beispielen habe ich mich jedoch um eine Ambivalenz bemüht. Die Zivilisation ist nicht per se schlecht. Sie ist nur nicht im Einklang mit der Natur, kann es nicht sein. Stattdessen beruht sie auf der menschlichen Kunstfertigkeit und (künstlichen) Schönheit. Magie ist hier übrigens ein Teil der Zivilisation. Als sich die Dämonen und Geister der Natur regen, dann haben die Menschen ihnen erstmal wenig entgegenzusetzen. Ob aber auch bei mir am Ende die Natur siegt, das müsst ihr schon selbst rausfinden.
Tanz der Feuerblüten erscheint übrigens am 6. März 2017 in der uebersinnlich Reihe, beim Ueberreuter Verlag (Link)
Ob es den Menschen guttut oder nicht, die Fantasyliteratur sieht sich als Advokat der Natur. So lassen sich zwei Grundaussagen ableiten, die fast jedes Fantasybuch bezüglich dieses Themas mit sich trägt.
- Die Natur ist etwas Gutes, was geschützt werden muss und…
- Die Naturgewalt wird uns am Ende überwältigen.
Denn egal wie sehr wie die Natur auch zerstören, schließlich werden wir die Welt für uns unbewohnbar machen. Die Natur aber wird sich erholen und neue Lebensformen hervorbringen. Es gab auch Zeitalter, in denen es viel wärmer als heutzutage war, aber glaubt mir, da möchtet ihr nicht leben. Und deshalb ist Umweltschutz weniger eine Sache nur für die Natur, als vielmehr auch eine Sache für uns – die Menschheit.
Weiter geht es in der Reihe mit depressiven Drachentötern bei Elea Brandt.
3 Comments
Elea
Interessantes Thema, ich muss zugeben, damit hab ich mich bisher noch gar nicht eingehender befasst. Das liegt vor allem daran, dass meine Völker meistens technisch noch nicht so fortgeschritten sind, als dass sie eine tatsächliche Bedrohung für die Umwelt darstellen würden. 😉
Ich habe zudem das Gefühl, dass auch die umgekehrte Thematik, d.h. „die Natur holt sich die Zivilisation zurück“ gerade in SciFi und Dystopien zunehmend an Bedeutung gewinnt. War das „I am Legend“ – ich glaube schon – wo der Protagonist plötzlich mitten in den Ruinen der Zivilisation einer Raubkatze begegnet. Oder beim Videospiel „The last of us“ gibt es auch wunderschöne Bilder von der Großstadt, die unter mächtigen Baumwurzeln und Pflanzen versinkt. Letztlich ist es also doch wieder ein Kreislauf. 😉
Janna
Ja genau, das hatte ich ja auch erwähnt, dass dieser Sieg der Natur über die Zivilisation ein beliebtes Thema ist. Danke für die weiteren Beispiele. Man muss übrigens gar nicht so technisch fortgeschritten sein. Bei Robin Hobb zum Beispiel ist es auch sehr Fantasylastig und der große Frevel ist das Abholzen der Bäume für Straßen und Siedlungen. Das wurde ja schon seit Urzeiten gemacht. 🙂
Pingback: